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Montag, 13. April 2020

Atmen

"Ich brauch frische Luft, damit ich wieder richtig atmen kann." (Wincent Weiss)

Ich bin ein Dorfkind. Aufgewachsen in einem Dorf mit gerade mal 2000 Einwohnern, mit Wald und Wiesen vor der Haustür und einem eigenen Baumhaus im Apfelbaum bei uns im Garten. Gerade im Frühjahr, wenn draußen alle grünt und blüht, erinnere ich mich an ewig lange Spaziergänge mit meinen Großeltern. Wir haben Ostereier gesucht, sind auf Felsen geklettert und haben Zwergleinhäuschen gebaut. Du fragst dich was ein Zwergleinhäuschen ist? Ich erzähle es dir.

Mitten im tiefen Wald zwischen Fichten und Buchen gibt es sie. Sie tragen kleine rote Zipfelmützen und tanzen abends mit dem kleinen Hasen Wuschi Wasch am örtlichen Bauch, dem "Flessel", in den Sonnenuntergang. Sie sind die Steinhübler Zwerge und sie wohnen in niedlichen kleinen Häusschen. Errichtet haben sie die aus Astgabeln und Ästen vom Waldboden. Ihre Dächer sind mit Farn oder Tannenzweigen gedeckt und ihre Einrichtung besteht aus Zapfen und Steinen. Eben alles was man im Wald so findet.

Heute lebe ich in der Stadt. Zum Studieren bin ich hierhergezogen. Lange habe ich nicht gemerkt, wie sehr mir der Wald fehlt. Bis vor zwei Wochen. Da haben wir uns aufgemacht und haben den Wald besucht. Fernab von Menschenmassen zwischen Häuserwüsten habe ich ein Stück Erinnerung und jede Menge Glück im Wald gefunden. Während meine Zweijährige den Kinderwagen mit Zapfen füllt und wie wild vornweg sprintet, atme ich tief durch. Einmal, Zweimal. Ganz tief fülle ich meine Lungen mit der Waldluft. Ich rieche die frische Erde, das Harz der Bäume, spüre den weichen Boden unter meinen Füßen, der so herrliche schwingt und höre das Laub leise rascheln. Und ich baue ein Zwergleinhäuschen, so wie ich es von meinem Opa gelernt habe.

Das ist Freiheit - meine persönliche Freiheit.
 

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